1711 - Brandstiftung nach Familiendrama 

 

Das Jahr 1711 haben die Burgbernheimer lange nicht vergessen. Am frühen Abend des 29. Juni schreckte der Ruf „Feurio“ die Einwohner auf. Die Scheune des Jungbauern Hans Ludwig Boß (heute Hirschengasse 2) brannte lichterloh. Die frisch eingebrachte Heuernte bot den Flammen Nahrung, so dass sie alsbald auf die benachbarte Scheune des Hans Georg Krehmer (Schwebheimer Gasse 1) überschlugen. Auch Wohnhaus und Scheune des Hans Seufferlein (Schwebheimer Gasse 3) waren nicht zu retten.
Sechs Tage später – noch rauchten die verkohlten Balken – wurde erneut Feueralarm ausgerufen. Diesmal brannte die Scheune des Hans Pfeuffer (Rothenburger Straße 17). Er war mit der Schwester des Hans Ludwig Boß verheiratet! An Zufall konnte keiner glauben.
Hans Ludwig Boß, 26 Jahre alt, hatte ein Jahr zuvor die 19-jährige Anna Barbara Triftshäuser aus Endsee geheiratet. Am 10. Mai 1711 kam ein Töchterlein zur Welt. In Burgbernheim war ortsbekannt, dass es in der jungen Ehe kräftig knirschte und krachte. Der Ehemann und Kindsvater pflegte weiterhin die Beziehung zu seiner Jugendliebe Elisabeth Bayer, die er heiraten wollte, wäre nicht deren Vater dagegen gewesen. Die verzweifelte junge Ehefrau und Mutter wollte zurück ins Elternhaus nach Endsee, doch das hatte deren Vater vorboten. Sie geriet nun in den Verdacht der Brandstiftung, umso mehr als sie plötzlich verschwunden war. Durch Verrat wurde sie auf einem Dachboden in Ottenhofen entdeckt, vom Burgbernheimer Gerichtknecht abgeholt und ins Gefängnis gesteckt. Beim Verhör gestand sie die Taten und erklärte, dass sie ihren Ehemann „wollte geschlacht und mürb machen, daß sie beide nicht ferner mehr zusammen laufen, sondern er auf solches Unglück verrecken möchte.“
Soviel zum Tatbestand. Brandstiftung war einer der „Hohen Fälle“, die nach der geltenden Halsgerichtsordnung durch Todesstrafe zu ahnden waren, ein Fall für die hohe Gerichtsbarkeit. Burgbernheim hatte bisher nur die niedere Gerichtsbarkeit ausgeübt, wo z.B. Streitigkeiten zwischen den Dorfbewohnern oder Erbauseinandersetzungen geregelt wurden.
Den Anspruch auf ein Hochgericht konnte man bereits seit 1623 geltend machen. Dieser ließ sich aus einem Privileg Kaiser Ferdinands II. ableiten, der damals auf Veranlassung des Markgrafen pauschal und lapidar alle Rechte bestätigt hatte, die in einer Urkunde Kaiser Maximilians von 1485 Burgbernheim zugestanden worden waren. Letztere fasste eine Vielzahl alter Privilegien zusammen, war jedoch, wie wir heute wissen, eine Fälschung. (Mehr dazu siehe „Burgbernheim, Orts- und Häusergeschichte“ S. 28ff.)
Was noch fehlte, war die Fraisch (= Furcht, Schrecken), das Gebiet, in dem das Hochgericht Missetäter einfangen und aburteilen konnte. Die hatte aber Marktbergel. Burgbernheim gehörte zur Marktbergeler Fraisch! Um sie gab es einen langjährigen Prozess mit der Nachbargemeinde, der 1695 durch die markgräfliche Regierung in Bayreuth dahingehend entschieden wurde, dass die Marktbergeler Fraisch zu teilen war und der westliche Teil Burgbernheim zustand.

Burgbernheim bekommt einen Galgen
Sichtbares Zeichen eines Hochgerichtssitzes war der Galgen, der Symbolcharakter hatte. Ihn galt es nun an einem exponierten Ort aufzurichten. Als Standort wählte man die Stelle neben der alten Steinacher Straße, wo früher die Kunigundenkapelle gestanden hat, die 1555 abgebrochen worden war. (Die Steine nutze man für den Bau der Roßmühle.) Es ist die Stelle, wo die alte Landstraße zwei scharfe Kurven machte, und die heute noch „das Gericht“ heißt.
Das Holz war bereits vom Burgbernheimer Wald hereingefahren worden. Die Aufrichtung am 20. Oktober 1711 wurde ein großes Spektakel: Die gesamte Bürgerschaft war vor das Rathaus bestellt, wo bereits zwölf Mann „Ausschüsser“ (Bürgerwehr) und weitere aus Neustadt mit ihren Gewehren angetreten waren. Mit klingendem Spiel, mit Trommeln, Pfeifen und Trompeten setzte sich der Zug in Marsch. Vorneweg ritten der Landkommissar Freyding aus Neustadt – nach heutigem Verständnis der Regierungspräsident –, neben ihm der Vogt Hammer aus Ipsheim, dann aus Burgbernheim der Gerichtsschreiber, Bürgermeister und Gemeinderat, dahinter die Ausschüsser mit ihren Fahnen, gefolgt von den Pfeifern und Trompetern und den aus Neustadt herbestellten Zimmerleuten. Die Nachhut bildete die Burgbernheimer Bürgerschaft.
Vor Ort angekommen, verlas der Landkommissar den Hochfürstlichen Befehl, die Rechtsgrundlage zur Errichtung des Galgens. Daraufhin führte jeder der genannten Honoratioren drei Axthübe in das Holz aus, worauf die Zimmerleute mit ihrer Arbeit begannen. Beim Aufrichten des Galgens am folgenden Tag feuerten die Ausschüsser und andere bewaffnete Bürger mit ihren Gewehren eine Salve ab, worauf der Zug wieder mit klingendem Spiel zurück in den Ort marschierte.
 
Zetergeschrei und andere Rituale vor der Hinrichtung
Burgbernheim hatte nun seinen Galgen und die Hinrichtung der Brandstifterin stand bevor. Doch das geschah nicht dort, sondern am so genannten Duttensee. Das ist die Wiese zwischen der Windsheimer Straße und der Bahnstrecke, Richtung Ottenhofen, wo sich nach längerer Regenzeit manchmal ein See bildet. Den Hinweis auf diesen Ort als alte Richtstätte dürfte man in der (gefälschten) Urkunde Kaiser Maximilians entdeckt haben.


Fraischstein

Ein Fraischstein im Wald bei Mörlbach
Er markierte die Fraischrenze zwischen den Gerichtsherrschaften Rothenburg und Brandenburg. Auf der einen Seite (links) das Wappen der Reichsstadt Rothenburg, auf der andern Seite (rechts) das der Hohenzollern.
Bild: H. Emmert

 

 

Am Tag vor der Hinrichtung wurde nach uraltem Brauch die Fraisch beritten. Teilnehmer waren der Landkommissar, der Gerichtsschreiber und zwei Burgbernheimer „Gerichtsverwandte“ (Beisitzer). Dabei wurde, beginnend bei der Windelsbacher Mühle, vom Gerichtknecht in Richtung der Angrenzer (Reichsstadt Rothenburg!) das Zetergeschrei ausgerufen. Darunter verstand man die Ankündigung einer Hinrichtung und die Verlesung der Anklage gegen den Delinquenten. Dieses alte Ritual diente zur Manifestation der Fraischgrenze, um die es ständig Konflikt mit der Nachbarstadt Rothenburg gab. Den Umfang des Fraischbezirks finden interessierte Leser im Heimatbuch (Hupfer) auf S. 133 ff. Die Fraischgrenze lief z.B. in Unternordenberg direkt durch das Hirtenhaus! Auch die Hinrichtung der Anna Barbara Boß führte zu Protesten der Rothenburger, weil Endsee, der Geburtsort der Delinquentin, zur Rothenburger Gerichtsbarkeit gehörte.
Die Hinrichtung erfolgte am 23. Oktober 1711 durch Enthauptung mit dem Schwert. Eine Hinrichtung mit dem Galgen galt als besonders entehrend und war dem ehrlosen Gesindel vorbehalten. Die Brandstifterin gehörte dem bürgerlichen Stand an, dem das „Privileg“ der Enthauptung zukam.
Der Scharfrichter kam aus Mailheim. Als Zeugen der Hinrichtung wurden genannt: Johann Stephan Örtel, Stadtvogt zu Neustadt an der Aisch als damaliger Bannrichter, Landkommissar Matthias Andreas Freyding – von ihm wird berichtet, dass er bei der Hinrichtung weinte –, als Gerichtsbeisitzer Georg Dürr und Stephan Eccard aus Lenkersheim sowie Hans Georg Gruber aus Ipsheim. Aus Burgbernheim kamen Gerichtsschreiber Johann Escherich, Bürgermeister Andreas Dehm und acht Gemeinderäte. Man darf annehmen, dass sich auch viele Burgbernheimer das Ereignis nicht entgehen ließen.
Der Leichnam wurde anschließend – entehrend – vom Schweinehirten im so genannten Zwinger im Kirchhof beigesetzt.
Bleibt nachzutragen, dass die Familie Boß bald darauf aus Burgbernheim verschwand. Vater Georg Boß verstarb im darauf folgenden Jahr. Den Hof in der Hirschengasse führte vorübergehend die Witwe Boß zusammen mit Schwiegersohn Hans Pfeuffer. Vom Ehemann der Hingerichteten ist in Akten und Kirchenbüchern nichts mehr zu erfahren.
Hermann Emmert
 
Quellen: Stadtarchiv Burgbernheim, B5 (Gerichtsbuch 1701-1740, f. 78ff) und B1 (Burgbernheimer Chronik von Superintendent Marcus Friedrich Schmidt)