In Burgbernheim war es mehr als ein
Jahrhundertereignis, als im Juni 1717 die markgräfliche Gesellschaft in
edlen Kutschen durch den Ort zum Wildbad hinaufzog, eskortiert von tausend
Soldaten zu Pferd und zu Fuß und gefolgt von einer schier endlosen
Wagenkolonne, meist sechsspännig. Doch diesem Spektakel waren Monate
schwerster Belastung vorangegangen – nicht nur für die Burgbernheimer,
sondern für alle markgräflichen Untertanen im so genannten Unterland des
Bayreuther Fürstentums.
Der Fürst ließ bauen – für die Baukosten hatte
die Gemeinde Burgbernheim 342 Gulden zu zahlen. Sie bediente sich aus den
Kassen der Pfründ- und der Röckpflege (Armenkasse) und erklärte dies als mit
fünf Prozent zu verzinsendem Vorschuss.
1717 sollte die Anlage im Rahmen eines großen
militärischen Feldlagers präsentiert werden. Ein solches, französisch
Campement, im fürstlichen Umfeld Lustcampement genannt, mit über
tausend Soldaten hatte der Markgraf in Begleitung seiner Gemahlin, weiterer
Verwandtschaft und hohen Herren bereits ein Jahr zuvor auf einer Wiese bei
Kulmbach inszeniert. Wo sollten die tausend Soldaten für ein derartiges
Campement beim Burgbernheimer Wildbad mitten im Wald kampieren und
exerzieren? Kein Problem für einen absolutistisch regierenden Herrscher: Er
befahl eine „Kriegsfron“ für über tausend Untertanen aus über 50 Dörfern
seines „unterländischen“ Herrschaftsgebietes, zwischen Burgbernheim und
Mailach unterhalb Ühlfeld im Aischgrund und im Aurachgrund bis Falkendorf
kurz vor Herzogenaurach. Eingeteilt in sieben „Ablösungen“ zu je 150 Mann
hatten sich die Betroffenen jeweils am Vorabend ihres Dienstbeginns mit
Beilen und Hacken zu ihrem dreitägigen Frondienst am „Campementplatz“zu
melden. Auflage: „Es sollen keine Kinder oder Weibspersonen geschickt
werden!“ Für die meisten kam je ein Tag für den Hin- und Rückweg dazu.
Innerhalb von nur drei Wochen, zwischen dem 20. Mai und dem 12. Juni 1717,
wurde so die etwa zwei Hektar große Waldfläche gerodet, die wir heute als
Wildbadwiese kennen. Wohl nebenbei, weil nicht mit einer Kriegsfron
vereinbar, wurden die bereits früher begonnenen Alleen vollendet. Vermutlich
wurde dafür auch das Militär eingesetzt. Es heißt, der Markgraf hätte seine
Soldaten für Bautätigkeiten eingesetzt – bei doppelter Entlohnung!
Aufsicht vor Ort führte der kauzige Forstmeister und ehemalige Hauptmann Abraham von Trozenberg, der das Jägerhaus auf der Hohen Leite bewohnte und dort eigenmächtig ein großes Stück Wald für einen Garten gerodet hatte.
In der Nacht zum 17. Juni 1717 wurden die
Amtsschultheißen und Bürgermeister von Burgbernheim und Marktbergel für den
nächsten Tag ins markgräfliche Oberamt nach Ipsheim beordert, wo man ihnen
den vom Obristen von Basewitz erstellten Marschplan präsentierte. In fünf
Tagesetappen sollte es von Bayreuth nach Burgbernheim gehen. Stationen waren
Streitberg, Erlangen (hier drei Tage Aufenthalt), Dachsbach und Ipsheim. Für
jede Etappe hatten Orte aus der Umgebung alleine für den Hofstaat je 140
Zugtiere und 15 leere Leiterwagen bereitzustellen, dazu kamen
Futterlieferungen. Burgbernheim und Marktbergel waren ab Ipsheim zuständig,
Burgbernheim mit 90 Tieren, darunter 27 „Reispferde“ (s. „Reiswagen“weiter
unten. Legitimiert als Kriegsfron war kein Widerspruch möglich! Für das
Militär – neun Kompanien, wohl über tausend Mann Garde zu Fuß und zu Pferd,
Grenadiere, Husaren, Infanterie, Oberst, Generaladjutant, Feldgeistlicher zu
Pferd und Tross – wurden insgesamt weitere 56 Leiterwägen gefordert, dazu
neun „Reiswagen“ (Packwagen für Feldzüge, die von den Untertanen zu stellen
waren), an den meisten Wagen sechs Stück Anspann, in Summe 427 Zugtiere.
Zusätzlich hatte Burgbernheim fürs Erste 4 Kapaunen, 20 alte und 36 junge
Hühner, 16 junge Tauben, 20 Enten, 4 Schock Eier und 65 Pfund Butter zu
liefern. Eine Woche später, am 24. Juni 1717 traf die
Suite in Burgbernheim ein: Serenissimus mit Gemahlin, mehreren Ministern und
die „Soldatesca zu Roß und zu Fuß“. Der übliche Fahrweg führte damals von
Windsheim über die Kleinwindsheimer Mühle, Schwebheim und die Aumühle nach
Burgbernheim, wo es vorbei am Brechhaus über den so genannten Kniebrecher
hinauf auf die Frankenhöhe ging. Vier Wochen, bis 22. Juli logierte und kurte die
erlauchte Gesellschaft im renovierten Wildbad, während die Soldaten in
Zelten auf dem frisch gerodeten Lagerplatz kampierten. Über den Tagesablauf
des Fürsten kann man spekulieren: morgens kuren, nachmittags Krieg spielen
und jagen?
Serenissimus scheint den Aufenthalt in
Burgbernheim genossen zu haben. Er meinte, eine Wildbadkur würde auch seiner
unglücklichen älteren Schwester Christiane Eberhardine guttun. Durch ihre
Ehe mit August dem Starken, Kurfürst von Sachsen, der nach dem Übertritt zum
Katholizismus die polnische Königskrone erworben hatte, führte sie den Titel
Königin von Polen. Sie blieb standhaft beim lutherischen Glauben. Aus Sorge,
zur Konversion gezwungen zu werden, betrat sie nie polnischen Boden.
Getrennt von ihrem Gemahl lebte sie im Schloss Pretzsch an der Elbe,
besuchte aber öfters ihre Verwandtschaft in Bayreuth.
Drei Wochen nach Abreise der fürstlichen
Gesellschaft, am 14. August 1717, kam Majestät mit achtzigköpfigem Gefolge
in Burgbernheim an. Ab Ipsheim mussten Burgbernheim und Marktbergel wieder
Anspann stellen. Die Räumlichkeiten im Wildbad reichten bei Weitem nicht.
Sieben Wochen logierte die Königin in dem 1711 erbauten „Schlößlein“ des
Barons Rieter in der Schloßgasse. Wie oft sie im Wildbad war, ist nicht
überliefert, vermutlich badete sie in hereingebrachtem Wildbadwasser, sie
wird nicht regelmäßig die gefährliche Kutschfahrt zum Wildbad über den
„Kniebrecher“ auf sich genommen haben. Die Unterbringung des königlichen Hofstaats im
Ort bedeutete für den Marktflecken eine enorme logistische Herausforderung.
Eine nach Stand und Funktion gegliederte Quartierliste vermittelt ein Bild
der noblen Gesellschaft und des heute grotesk erscheinenden
Personalaufwands. Nachfolgende Zusammenstellung enthält die Namen der
damaligen Quartiergeber; die anhand des „Häuserbuches“ ermittelten heutigen
Adressen dürften die derzeitigen Eigentümer interessieren. Ihre Majestät residierte bei
Baron von Rieter (Rieterschlößchen, Schloßgasse 6) im Obergeschoss, zusammen
mit einer Kammerfrau, drei Kammermägden und einer Kammerzwergin, das
Erdgeschoss bewohnte die Prinzessin von Weißenfels mit zwei
Kammermägden. Dames: „In des Herrn
Siegfried Grüners Haus“ (Rodgasse 3) wohnten die Fräuleins von Erffe, von
Gailsheim, von Erdmannsdorf und von Friehen sowie zwei Fräuleinsmägde. Cavaliere: Bei Michael
Fluhrer (Windsheimer Str. 2, Gasthof Hirschen) logierte Herr Kammerherr und
Stallmeister Graf von Geyersberg mit vier Dienern und vier Pferden; bei
Georg Fluhrers Wittib (Marktplatz 1, Gasthaus Weißes Roß) Herr Kammerherr
von Knoche mit drei Dienern und drei Pferden. Bei Hanns Georg Unbehauen
(Marktplatz 2) Herr Kammerjunker von Poniclau nebst zwei Dienern und drei
Pferden, bei Hanns Heinrich Heydt (Marktplatz 6) Herr Kammerjunker von
Marschall nebst zwei Dienern und drei Pferden. Hofstaat: „In der Frau
Cammerierin Haus“ (Rothenburger Str. 12, das ehem. Schreyersche Schlößlein)
wohnten der Geheime Secretarius Herr Licent Engelschall mit einem Diener,
Herr Medicus Dr. Breindel sowie der Cancelist Schödel; bei Martin Wagenstell
(Rodgasse 6) Hofrath und Leibmedicus von Anspach Herr Dr. Hoffmann mit einem
Diener; bei Johann Georg Fluhrer (Windsheimer Str. 6 ) ein Hof Fourier mit
einem Diener; bei Martin Michael Bauernfeind (Obere Marktstr. 8) ein Page
von Wiedtmann und ein Page von Raizenstein Senior mit einem Diener. Bei
Hanns Albrechts Wittib (Obere Marktstr. 4) ein Page von Vizethumb und ein
Page von Raizenstein jun. mit einem Diener. Bei Hanns Georg Kaufmann
(Hirschengasse 4) wohnte „der Jungfer Sophia Kammerdiener Georg Herold“; bei
Hanns Caspar Leydig (Untere Marktstr. 1) der Bader Behrens; bei Friedrich
Stern (Uhrmachergasse 2) Kammerdiener Müller. Küchen: Bei Herrn Johann
Michael Göz (Obere Kirchgasse 8, ehem. Amtsschultheißenhaus, jetzt ev.
Gemeindehaus) Küchenmeister Hübscher mit einem Diener; bei Sebastian Ziehrer
(Schloßgasse 2) Küchenschreiber Weigelt und „ein Junge bei der
Küchenschreiberei“ und ein Küchenaufwarter; bei Leonhard Loders Wittib
(Marktplatz 3) die zwei Mundköche Lang und Nagel; bei Claus Hermann
(Rodgasse 14) ein Beikoch Terpiz und Oberhofmeister Tafelkoch Hübner; bei
Georg Fluhrer, Metzger (Windsheimer Straße 8, Gasthaus Grüner Baum)
Bratenmeister Kühn und ein Backkoch. Bei Michael Hain (Rothenburger Str. 6)
ein Kohlmann und ein Metzgerknecht. Je zwei Kochjungen wohnten bei Jobst
Brand (Untere Marktstraße 2), bei Michael Conrads Erben (Rodberggäßchen 2),
bei Hanns Wittmann (Rothenburger Straße 3), bei Johann Mayer, Wildmeister
(Friedenseicheplatz 6, Gasthaus Goldener Engel); drei Mägde bei Jobst
Hönning (Innere Bahnhofstraße 8). Kellerei: Bei Hector
Christoph Halbmayer (Straizergasse 5) wohnten der Kellerschreiber Schenck,
der Hofbüttner Nehr und ein Kelleraufwarter. Conditorey: Zwei
Conditorgesellen bei Johann Geiß (Friedenseicheplatz 7) und eine Magd bei
Hanns Georg Mayer, Schneider (Bergeler Str. 2). Die Silberkammer mit einem
Silberdiener bei Johann Friedrich Müller (Schloßgasse 10), ein
Mundschenkschreiber bei Hanns Rüdinger (Schloßgasse 16), ein Beischenk bei
Christoph Wießender (Bergeler Str. 12); drei Jungen, nämlich: ein
Mundschenk, ein Silberdiener und ein Beischenkjunge bei Andreas Schwarz
(Untere Marktstr. 4; eine Silberwäscherin und deren Magd bei Hanns Adam
Schreiner (Innere Bahnhofstr. 8). Sechs Lakeien und andere Diener:
Je zwei bei Hanns Leonhard Förster (Bergeler Str. 10), bei Bernhard
Seufferlein (Friedenseicheplatz 5) und bei Hanns Friedrich Reutter (Bergeler
Str. 5). Fünf Damenlakeien: einer bei
Sebastian Frieß (Rodgasse 4), ein Leibschneidergesell bei Hanns Georg Dehm,
Melber (Rodgasse 2), ein Stubenheizer bei Leonhard Wagenstell (Bergeler Str.
2) und zwei Heiducken bei Caspar Stahl (Bergeler Str. 7). Waschhaus: eine Leibwäscherin, eine
Fräuleinswäscherin und drei Waschmägde bei Hanns Michael Röger (Wassergasse
12), vier weitere Mägde bei Leonhard Schneider (Uhrmachergasse 1) und bei
Georg Krehmer (Rothenburger Str. 13). Je zwei Stallbedienstete oder Wagenknechte
bei Georg Schmidt sen. (Untere Marktstraße 6) und bei Michael Ruchser
(Hirschengasse 3). Am 29. September 1717 reiste die königliche
Gesellschaft wieder ab. In Burgbernheim liefen bereits die
Vorbereitungen für einen erneuten Besuch im Folgejahr. Noch Ende Mai 1718
wurden aus Bayreuth drei versiegelte Fässer Bier angeliefert, mit der
Maßgabe, sie im Herrenkeller einzulagern. Vom 1. Juni datiert eine
umfangreiche Liste mit Lebensmittelanforderungen an Burgbernheim und
Marktbergel unter Hinweis auf die Ankunft der Königin noch in derselben
Woche. Doch es kam nicht dazu. Die Gründe, die zur kurzfristigen Absage
führten, sind nicht bekannt. In Burgbernheim dürfte man aufgeatmet haben.
Die Majestät ließ dem Bürgermeisteramt 9 Gulden und 36 Kreuzer verehren!
Überliefert ist ein Kuraufenthalt der Königin in Karlsbad im Jahr 1723, da
konnte Burgbernheim natürlich nicht mithalten! Im Gasthaus Zum Goldenen Hirschen von Michael
Fluhrer, wo Graf von Geyersberg aus dem Gefolge der Königin logierte, hatten
sich zwei stellenlose Leutnants einquartiert, Lorenz von Bühlau aus
Mecklenburg und Christoph Schellin aus Schwaben, die beim Grafen um
Anstellung vorsprechen wollten. In der Nacht des 21. September kam es
zwischen beiden zum Streit, wobei von Bülow seinen Kameraden Schellin
erstach. Der Täter wurde am 7. Januar 1718 auf dem Burgbernheimer Marktplatz
enthauptet. An Markgraf Georg Wilhelm erinnern in
Burgbernheim noch die Initialen GWMZB (Georg Wilhelm Markgraf zu
Brandenburg) mit Jahreszahl 1723 am des Torbogen des Torhauses, welches
damals zusammen mit dem Eingangsbereich der Kirchenburg saniert wurde. Quellen: Stadtarchiv Burgbernheim A4039 (gesamter
Schriftwechsel), B5, R82
Der
Katasterplan zeigt die Lagerwiese und den Schießplatz von 1717.
Verstärkt nachgezeichnet sind die damals entstandenen Alleen. Diese sind
weitgehend erhalten, die nach Nordosten führenden als romantische
Waldwege (der 2. von links führt zum Teufelshäuschen), die beiden nach
Südosten als Asphaltstraßen: Wildbadzufahrt und Straße nach Hornau
Spanndienst für den Aufmarsch
Kuraufenthalt der Königin von Polen mit großem Gefolge
Hier
sammelte die Nürnberg-Kornburger Patrizierfamalie Rieter den seit dem
Mittelalter bezeugten „Zehnten zu Bernheim und auf dem Walde“. Nachdem
dieser Zehnt 1754 an die Familie von Greiffenclau zu Vollraths gegangen war,
hieß es Greiffenclausches Schlößchen
Einquartierung
Bei Johann Gerber (Windsheimer Str. 14) logierte Frau General Lieutenantin
von Lejay mit Diener, Fräulein von Lejay und zwei Mägden.
Aufatmen in Burgbernheim
Eine Bluttat am Rand des königlichen Besuches
Mayer-Holzmann, Die Markgrafen von
Ansbach-Bayreuth. Erlangen-Jena 2002
Hermann Emmert, Burgbernheim – Orts-
und Häusergeschichte bis ins 21. Jahrhundert, Nürnberg 2008