Die Bierbrauerdynastie Henninger aus Burgbernheim

Über Erlangen und Nürnberg nach Frankfurt am Main

Dass es in Burgbernheim einmal elf Brauereien gab, ist hinlänglich bekannt. Über die Jahrhunderte gesehen, sticht bei den Bierbrauerfamilien der Name Henninger heraus. Sie dominierten lange die Burgbernheimer „Bierbrauerlandschaft“ und verbreiteten sich schließlich über Erlangen, Nürnberg bis nach Frankfurt am Main. Folgender Beitrag entstand als Nebenprodukt bei der Erstellung der Burgbernheimer Häusergeschichte. Er gewährt nicht nur einen Einblick in die Burgbernheimer Bierbrauertraditionen mit ihren familiären Verflechtungen, sondern, beginnend mit dem Dreißigjährigen Krieg, auch in die allgemeinen Verhältnisse des 17. bis 19. Jahrhunderts.

Die Kennzeichnung der beteiligten Häuser erfolgt anhand der alten Hausnummern.

Alte Hausnr. 36, Rodgasse 6, ehem. Brauerei Henninger
Alte Hausnr. 39, Marktplatz 1, Gasthaus Weißes Roß
Alte Hausnr. 40, Marktplatz 2, ehem. Gasthaus Adler
Alte Hausnr. 51, Marktplatz 5, ehem. Gasthaus Lamm
Alte Hausnr. 86, Windsheimer Str. 2, Gasthaus Hirschen
Alte Hausnr. 88a, Windsheimer Str. 6, ehem. Gasthaus Sonne
Alte Hausnr. 93, Windsheimer Str. 8, Gasthaus Grüner Baum

 

Die Familie Henninger ist seit dem ausgehenden 16. Jh. in Burgbernheim nachweisbar. Jakob der Jüngere war Bürgermeister und saß 1626 auf dem Anwesen Schwebheimer Gasse 1, das den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zum Opfer fiel. Er und sein Vater Jakob der Ältere starben 1632, 48-, bzw. 86-jährig. Der Sohn des jüngeren Jakob, Kilian Henninger, ist nach dem Dreißigjährigen Krieg auf dem Anwesen Windsheimer Straße 6 (alte Hausnr. 88, später Gasthaus zur Sonne) zu finden. Vermutlich hat er seine Schwester Barbara beerbt, die 1633 den Vorbesitzer und Witwer Georg Boß geheiratet hatte, der bald darauf verstarb. Vier Ehen – Ausdruck einer hohen Frauensterblichkeit – mögen zur Mehrung von Kilians Wohlstand beigetragen haben, denn er erscheint als Besitzer weiterer Häuser. Das Anwesen in der Windsheimer Straße vermachte er seiner Tochter Dorothea, die 1672 den Büttner und Bierbrauer Hans Georg Utting heiratete. Dieser gab 1694 seine Bierbrauertätigkeit auf und verkaufte das Bräu- und Branntweinzeug an die Gemeinde Burgbernheim für das in Haus Nr. 192 (das heute so genannte Seilerhaus, Uhrmachergasse 1) eingerichtete Kommunalbrauhaus. Nachfolger in Haus Nr. 88 wurde der aus Haus Nr. 93 (Windsheimer Straße 8, später Gasthaus Grüner Baum) stammende Metzger und Gastwirt Hans Georg Fluhrer. Die Fluhrer bildeten eine eigene Bierbrauerdynastie, sie finden sich später im Gasthaus zum Hirschen und im Stern, Rodgasse 1.

Kilian Henningers Sohn Georg erwarb 1680 das Gasthaus mit Brauerei, das später so benannte Gasthaus zum Lamm, Haus Nr. 51 (Marktplatz 5). 1691 kam es zu einem Tauschgeschäft mit Hans Georg Pfund, dem bisherigen Wirt im Weißen Roß. Georg Henninger wird Roßwirt, die nächsten 173 Jahre – vier Generation – verbleibt das Gasthaus mit Brauerei im Familienbesitz Henninger. 1706 regelte Georg Henninger seinen Nachlass: Die jetzige Ehefrau Susanna Margaretha, die ihm sechs Kinder geboren hatte, wovon noch vier minderjährige am Leben waren, sollte die Wirtschaft und Hofreite erben, dazu das Bräu- und Brennzeug, 50 Bier- und 18 Weinfässer vom Inhalt eines Eimers (etwa 64 Liter), einen Wagen, zwei Pflüge und Eggen und die zwei besten Pferde … Vermutlich hat Georg, zuletzt Mitglied des Gemeinderats, auch Haus Nr. 103 (Friedenseicheplatz 6, Gasthaus Engel) für seine Tochter Margarete erworben, die 1694 den Jägergesellen Hans Mayer ehelichte, der bis 1716 dort als Besitzer erscheint und wohl bereits eine Gastwirtschaft unterhielt. Georgs mittlere Tochter Elisabeth heiratete 1698 den Metzger und Bierbrauer Christoph Schmidt (alte HausNr. 37, Erbsengasse 3). Die beiden minderjährigen Söhne des Georg Henninger names Johann Sebastian und Johannes erlernten später das Bierbrauerhandwerk.

Nach Georgs Tod heiratete 1707 die Witwe den aus Haus Nr. 88 (Windsheimer Str. 6) stammenden Georg Fluhrer. Zum zweitenmal verwitwet kaufte sie 1721 das bis heute erhaltene Fachwerk-Bauernhaus Rodgasse 3 (alte HsNr. 33), das sie bis 1736 besaß.
Als neu angehender Gastwirt, Bierbrauer und Metzger übernahm 1722 der 3. Sohn des Georg Henninger, Johann Sebastian (*1694, †1778) das Weiße Roß. Er ehelichte die Gastwirtstochter Eva Barbara Reuther aus Lehrberg. 1760 war er Bürgermeister. Alle vier Söhne wurden Bierbrauer: Johann Adam, der älteste heiratete 1752 die Gastwirtswitwe Anna Geißendörfer in Steinach. Der 2. Sohn Johannes begründete 1755 im Anwesen Haus Nr. 88 eine neue Linie der Bierbrauer Henninger (siehe weiter unten). Der 3. Sohn Johann Michael heiratete 1769 die Gastwirtswitwe Anna Barbara Stellwag im Roten Roß zu Marktbergel. Das Gasthaus zum Weißen Roß in Burgbernheim übernahm schließlich 1773 der 4. und jüngste Sohn des Johann Sebastian Henninger, Johann Georg. 1815 folgte dessen Sohn Johann Michael, mit dem 1864 der Familienzweig Henninger im Weißen Roß erlosch.

Zurück zum jüngeren Bruder des Roßwirts Johann Sebastian Henninger, er hieß schlicht Johannes. 1726 wurde er als angehender Meister des Bäcker- und Bierbrauerhandwerks in Burgbernheim als Bürger aufgenommen und besaß bis zu seinem Tod 1739 das Anwesen Innere Bahnhofstraße 8 (Schick). Dieses war seit 1654 im Besitz einer aus Thüringen zugezogenen Familie Hönning, wobei die Namensähnlichkeit zu denken gibt, findet man doch auch den Namen Henninger gelegentlich so geschrieben! Eine amtliche Schreibweise der Namen gab es damals nicht, jeder Schreiber oder Pfarrer, schrieb nach Gehör und mancher glaubte, einen fränkisch klingenden Namen verfeinern zu müssen! Niklas Hönning war 1710 Zimmermann, Bierbrauer und Gastwirt. Seine Witwe heiratete 1714 den Bierbrauer Hans Adam Schreiner, der von 1717 bis 1738 als Bierbrauer Besitzer von Haus Nr. 103, (Friedenseicheplatz 6) dem späteren Gasthaus Engel, war.

Der Sohn des letztgenannten Johannes Henninger, Johann Leonhard, heiratete 1753 als angehender Beck und Bierbrauer nach Schwebheim.

 

Wenden wir uns dem Henninger-Zweig im Gasthaus Sonne in der Windsheimer Straße zu. Wie oben gezeigt, ist dort 1755 Johannes, der 2. Sohn des Johann Sebastian aus dem Weißen Roß Eigentümer. Anlässlich der Eheschließung im gleichen Jahr mit Anna Margaretha Hermann erhält er vom Vater u.a. 400 Reichstaler, die Braut bringt 1000 Reichstaler mit. Sie begründen mit vier Söhnen eine neue erfolgreiche Linie der Bierbrauerdynastie Henninger. 1789 ist Johannes Henninger Bürgermeister, 1790 gehört ihm auch Haus Nr. 192 in der Uhrmachergasse (das viel später so genannte Seilerhaus). Ihr ältester Sohn Johann Gottfried unterbrach die Bierbrauertradition und wurde Bankmetzger. Er heiratete 1788 die Tochter Juliana des Hirschenwirts und Bierbrauers Johann Michael Fluhrer. Sie bewohnten das Haus Schwebheimer Gasse 2. Deren erster Sohn, Johann Michael, wurde wieder Bierbrauer und Metzgermeister und kaufte 1814 von Wolfgang Wagenstell das Brauereianwesen Haus Nr. 36 (Rodgasse 6), wo er einen neuen Familienzweig der Henninger gründete. Auf ihn, wie auf seinen jüngeren Bruder Johannes, der außerhalb Burgbernheims eine weitere erfolgreiche Linie gründet, kommen wir noch zu sprechen.

Bleiben wir noch im Gasthaus zur Sonne. Der 3. Sohn des Sonnenwirts Johannes Henninger, Johann Michael, wird 1796 im Kirchenbuch als neuangehender Wirt zu Possenheim genannt. Das elterliche Anwesen in Burgbernheim übernahm 1798 der 4. und jüngste Sohn des Johannes, Johann Georg Henninger jun. Als 28 jähriger Bierbrauer und Gastgeber zur goldenen Sonne heiratete er die 18-jährige Margaretha Barbara Schmidt, Tochter des Bierbrauers und Metzgers Johann Georg Schmidt aus Haus Nr. 103, Gasthaus Goldener Engel. 1803 wurde deren einziger Sohn Johann Gottfried geboren, der 1830 als Bierbrauer und Sonnenwirt von der Mutter übernahm. Mit ihm endete diese Burgbernheimer Linie. 1865 kaufte das Anwesen Gg. Friedrich Henninger (!), Bierbrauereibesitzer zu Wippenauhof (Wippenau) und verkaufte im gleichen Jahr an den Bäckermeister Johann Michael Emmert, der es 1867 an den Bierbrauer Johann Leonhard Gundel aus Geslau veräußerte.

Rücksprung zu Haus Nr. 36, Rodgasse 6, das 1814 der Bierbrauer und Metzgermeister Johann Michael Henninger, der älteste Sohn des Johann Gottfried und der Juliana Fluhrer, gekauft hatte. 1855 folgten Sohn Joh. Leonhard, 1885 übernahm dessen Sohn Joh. Georg, auch Bierbrauer und Metzger (geb. 1858), auf den 1911 Joh. Leonhard Henninger (geb. 1886) als Bierbrauer folgte. Er war der letzte der Burgbernheimer Bierbrauerlinie. Der erste Weltkrieg brachte für die Burgbernheimer Brauereien das Aus.

 

Nun noch zum 2. Sohn des aus der „Sonne“ stammenden „Nur-Metzgers“ Johann Gottfried und der Juliana Henninger, geb. Fluhrer, namens Johannes. Mit ihm wurde Henningerbräu auch außerhalb Burgbernheims zu einem Begriff. 1816 heiratete er Anna Johanna Paulina Reuter, die älteste Tochter des Burgbernheimer Bierbrauers Reuter, Marktplatz 2, alte Haus Nr. 40, vormals Gasthaus Adler. Sie erbten vom (Schwieger-)Vater die vormals Vierzigmannsche Brauerei in Erlangen, Hauptstraße 55-57, die spätere Brauerei Henninger. 1906 erfolgte die Fusion zur Henninger-Reifbräu. Geblieben und bis heute bei den Kennern der Erlanger Bergkirchweih beliebt ist der Henningerkeller, ein Biergarten auf dem mit 800 m längsten Felsenkeller am Erlanger Burgberg.
Sohn Heinrich Henninger gründete 1862 die „Neue Brauerei Nürnberg“. 1872/73 übernahm er das Steinsche Brauhaus in Frankfurt, aus dem sich die Großbrauerei Henninger entwickelte. Auch nach deren Ende im Jahr 2001 blieb der 120 m hohe Henningerturm, ein ehemaliges Silo für Braugerste, eines der Wahrzeichen Frankfurts.
Henningerturm

 

Weitere Spuren der Bierbrauer Henninger, die nicht näher verfolgt wurden:

Haus Nr. 40 (Gasthaus Adler am Marktplatz) in Burgbernheim war von 1721 bis 1812 im Besitz der Bierbrauerfamilie Riedel, von der es an die oben genannten Reuter überging. Ebenfalls im Besitz der Familie Riedel war von 1752 bis 1856 auch Haus Nr 165 (Innere Bahnhofstraße 3). 1856 erbten diesen Gesamtbesitz: 1. Elisabeth Katharina Reuther, verehelichte Schmidt in Erlangen. 2. Kath. Friederike Sabina Reuther, verehelichte Weichard in Vach. 3. Johanna Anna Babette Lederer, geb. Henninger, in Nürnberg.

Noch ein Hinweis für die familienkundlich Interessierten: Stammvater einer weiteren Linie war der 1720 aus Ottenhofen eingeheiratete Hans Henninger (Höning!)



 

In den Anmerkungen bedeutet: KBoo… = Kirchenbuch Burgbernheim, Trauungen; BB… = das gedruckt vorliegende Bürgerbuch Burgbernheim; StAN Staatsarchiv Nürnberg, Katasterselekt Burgbernheim. Weitere Quellen aus dem Stadtarchiv Burgbernheim [R…] und Gerichtsbuch

 


 

Vom Weißen ins Rote Ross

Tragische Ereignisse am Rand einer Hochzeit

Beitrag zur Marktbergeler Kirchweihausgabe 2006:

Johann Sebastian Henninger (geb. 1694), Bierbrauer und Gastwirt zum Weißen Ross in Burgbernheim, war Stammvater einer weit verbreiteten Bierbrauerdynastie, deren Spuren sich bis zur Brauerei Henninger nach Frankfurt am Main verfolgen lassen.

Sein dritter Sohn Johann Michael (geb. 1737) heiratete 1769 nach Marktbergel ins Rote Ross, die Gastwirtswitwe Anna Barbara Stellwag.

Hochzeiten von Wirtsleuten hatten für junge Männer immer einen besonderen Reiz, war doch eine großzügige Bewirtung zu erwarten. So ritten am Hochzeitstag acht Männer aus Marktbergel nach Burgbernheim, um den Hochzeiter standesgemäß abzuholen und – wohl nach kräftigem Umtrunk –in die neue Heimat zu geleiten. Darunter war der 38-jährige Johann Andreas Boß. Übermütig begann dieser auf dem Heimweg, sein Pferd zu jagen. Ross und Reiter stürzten in einen Graben und Boß blieb bewußtlos liegen. Der kürzeste Weg zur Hilfeleistung führte zurück nach Burgbernheim, wo die Kameraden den Schwerverletzten ins nächstgelegene Gasthaus, zu Georg Schmidt brachten (heute Birngruber, Gasthaus zum goldenen Engel. Der „Bader und Chirurgus“ Kapfer wohnte gleich zwei Häuser weiter, heute Raiffeisenbank). Doch für Boß kam jede Hilfe zu spät. Am folgenden Tag schaffte man ihn zu den Seinen nach Marktbergel, wo er am gleichen Abend verstarb. Er hinterließ eine hochschwangere Frau und fünf Kinder.

Den Wirtsleuten Henninger im Roten Roß war kein Glück beschieden, zehn Tage nach der Heirat verstarb die Ehefrau.

HERMANN EMMERT
(nach einer Aufzeichnung im Burgbernheimer Kirchenbuch – Trauungen 1769, Blatt 24)